Der Deutsche Tierschutzbund sowie seine Landesverbände aus Berlin und Bayern – der Tierschutzverein für Berlin (TVB) und der Deutsche Tierschutzbund Landesverband Bayern – kritisieren die Fortsetzung eines umstrittenen Forschungsprojekts mit Nachtigallen. Nachdem die Tierschützer des TVB zu einem Online-Protest aufgerufen hatten, an dem sich mittlerweile über 134.000 Menschen beteiligen, wechselte die verantwortliche Forscherin von der Freien Universität Berlin ans Max-Planck-Institut für Ornithologie im bayerischen Seewiesen. Die Regierung in Oberbayern hat die geplanten Tierversuche bereits genehmigt.
„Die Forscherin behauptet, dass ihre Grundlagenforschung zu Nachtigall-Gesängen Erkenntnisse in Bezug auf menschlichen Autismus liefern könnte. Das ist eine absurde Rechtfertigung völlig überflüssiger Experimente an dieser streng geschützten Vogelart“, so Claudia Hämmerling, stellvertretende Vorsitzende des TVB. Die Tierschützer kritisieren, dass in Deutschland derzeit weniger als 1 Prozent der Tierversuchsanträge abgelehnt wird, weil sie nach Änderung des Tierschutzgesetzes nun zu genehmigen sind, sofern sie formell richtig gestellt werden und der Antragsteller den wissenschaftlichen Nutzen und die ethische Vertretbarkeit begründet. „Die Bundesregierung muss endlich das Tierschutzgesetz anpassen und die Vorgaben der EU-Tierversuchsrichtlinie korrekt umsetzen, so wie es die EU-Kommission bereits angemahnt hat“, fordert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Die Behörden müssen unabhängig hinterfragen, beurteilen und gegebenenfalls widerlegen können, ob ein beantragter Tierversuch wirklich unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Es darf nicht sein, dass der Antragsteller ungeprüft die alleinige ethische Entscheidungsmacht hat.“
Die Verhaltensbiologin Dr. Daniela Vallentin will nachgezĂĽchteten Nachtigallen Elektroden durch die Schädeldecke ins Gehirn einfĂĽhren, um die Aktivität einzelner Nervenzellen während des Gesangs zu messen. „Dass sich Ergebnisse derartiger Versuche auf komplexe neurologische Phänomene wie Autismus ĂĽbertragen lassen, halten wir fĂĽr höchst fragwĂĽrdig“, kommentiert auch Nicole BrĂĽhl, Präsidentin des Landesverbandes Bayern. „Gehirne von Menschen und Vögeln unterscheiden sich stark.“ So fehlt Vogelgehirnen etwa die GroĂźhirnrinde und die fĂĽr ihren Gesang zuständigen Hirnregionen gibt es wiederum beim Menschen nicht. Zudem werden auch Umweltfaktoren mit der Entstehung von Autismus in Zusammenhang gebracht, welche sich im Tierversuch kaum nachbilden lassen. Fraglich erscheinen die Versuche auch deshalb, weil – auch im Bereich Autismus – bereits mehrere wissenschaftlich erprobte und anerkannte tierversuchsfreie Verfahren existieren.
Weitere Informationen zum Thema Tierversuche hat der Deutsche Tierschutzbund auf seiner Website zusammengestellt:
https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/tierversuche/