Hamburg, 09. Februar 2021 – Nach Informationen von VIER PFOTEN genehmigten Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen noch im vergangenen Dezember etliche Tiertransporte in weit entfernte tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten. Und das trotz vorliegender Erlasse der Bundesländer, die das verhindern oder erschweren sollten. Damit verstoßen die vier Länder nach Überzeugung der globalen Stiftung für Tierschutz gegen geltendes Recht. Am kommenden Freitag wird im Bundesrat über einen Antrag von Nordrhein-Westfalen und Hessen abgestimmt: Die Bundesländer fordern darin die Bundesregierung auf, unverzüglich zu prüfen, ob Tiertransporte in bestimmte Drittstaaten verboten werden müssen. VIER PFOTEN appelliert dringend an die Bundesländer, diesem Antrag zuzustimmen.
Laut VIER PFOTEN hat Niedersachsen allein im Dezember vergangenen Jahres Tausende Tiere nach Ägypten, Algerien und Marokko transportiert. Aus Mecklenburg-Vorpommern gingen mehrere hundert Tiere nach Algerien und Russland. Sachsen genehmigte mehrere Transporte nach Marokko und Russland. Und Brandenburg transportierte mehrere hundert Tiere, die größtenteils aus Niedersachsen stammten, in weit entfernt liegende Orte in Russland. Bei Tiertransporten in Drittländer werden der Tierschutz und die geltenden tierschutzrechtlichen Vorgaben weder während des Transports noch bei der Schlachtung der Tiere im Zielland eingehalten.
„Obwohl die Bundesländer Tiertransporte verboten oder erschwert haben, wird immer wieder abgefertigt und bewusst gegen geltendes Recht verstoßen. Eingepfercht auf Schiffen oder LKW, leiden die Tiere auf den bis zu 300 Stunden dauernden Transporten unter Durst, Hunger, Kälte, Hitze und Stress. Die Qualen der Tiere während dieser Fahrten sind durch nichts zu rechtfertigen und müssen aufhören. Dazu brauchen wir umgehend ein bundes- und darüber hinaus auch ein EU-weites Verbot aller Transporte in Drittländer und ein Verbot aller Transporte über acht Stunden“, so Ina Müller-Arnke, Nutztierexpertin bei VIER PFOTEN.
Bis ein nationales oder EU-Verbot umgesetzt ist, muss laut VIER PFOTEN gelten: Wenn Tiertransporte keiner ordentlichen Tierschutz- und Plausibilitätsprüfung standhalten, müssen die Veterinärbehörden der Landkreise diese Drittlandtransporte ablehnen. Hier sollten die Landräte den ihnen unterstehenden Behörden den Rücken stärken. VIER PFOTEN fordert, dass Gerichtsbeschlüsse, die in Eilverfahren getroffen werden und die Behörden zur Abfertigung einzelner Transporte auffordern, nicht pauschal für alle Transporte ausgelegt werden.
„Diese Beschlüsse dürfen nicht als Freifahrtschein genutzt werden, um Transporte ohne weitere Prüfung abzufertigen. Wir können die teilweise sehr merkwürdigen Begründungen einiger Gerichte nicht nachvollziehen”, so Müller-Arnke.
Laut VIER PFOTEN müssen Ministerien darauf beharren, dass jede Transportplanung über ihren Tisch läuft. Nur so können sie als überstehende Instanz der Veterinärbehörden eine Übersicht haben, welche wirklichkeitsfernen und somit rechtswidrigen Transporte durchgewunken werden.
Bundesratsabstimmung zum Verbot von Tiertransporten am Freitag
VIER PFOTEN fordert die Länder auf, dem Antrag Nordrhein-Westfalens und Hessens im Bundesrat am Freitag, dem 12. Februar 2021, zuzustimmen.
Durch ein bundesweit einheitliches Verbot von Tiertransporten in tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten ist laut VIER PFOTEN mehr Tierschutz und auch eine sicherere Rechtsgrundlage möglich. Doch bis heute wälzt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Verantwortung vollständig auf die Bundesländer ab: Diese seien selbst für die Genehmigung von Transporten zuständig.
Tierschutz ist auf langen Lebendtiertransporten nicht gewährleistet
Fest steht: Rein rechtlich darf kein Transport abgefertigt werden, der nach der letzten Versorgungsstation in der EU länger als 29 Stunden dauert und bei dem damit eine EU-akkreditierte Versorgungsstation im Drittland angefahren werden müsste – denn solche gibt es nicht. Außerdem müssen alle Transporte abgelehnt werden, die Schiffspassagen beinhalten. Das sind etwa Transporte nach Marokko, Algerien oder Ägypten. Denn die Routen in diese Länder sind nach Verlassen der EU-Häfen nicht mehr nachvollziehbar. Es werden keine verantwortlichen Personen auf den Schiffen benannt, die Bestimmungsorte im Drittland lassen sich häufig nicht ausmachen und die Frage nach der Zulassung der im Drittland genutzten Fahrzeuge ist völlig ungeklärt.
Damit kann die Einhaltung des Tierschutzes für diese Transporte nicht sichergestellt werden. Das ist aber nach einem geltenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2015 (C-424/13) Pflicht, und zwar bis der Tiertransport den Bestimmungsort im Drittland erreicht. Zudem muss die Behandlung und spätere Tötung der Tiere ebenfalls mit in das Genehmigungsverfahren einfließen.
Bei jedem Transport von Tieren in einen tierschutzrechtlichen Hochrisikostaat ist klar, dass die Tiere im Zielland unter Praktiken getötet werden, die sogar gegen die weltweit geltenden Tierschutz-Standards der Weltgesundheitsorganisation (OIE) verstoßen. Jede Genehmigung in ein solches Zielland ist nicht mit geltendem EU-Recht und erst recht nicht mit nationalem Tierschutzrecht vereinbar – und damit Beihilfe zur Tierquälerei.
Doch trotz Anstrengungen einiger Bundesländer, den Transport von Tieren in Risikostaaten stark einzuschränken, werden immer wieder Transporte abgefertigt. Schlupflöcher bei der Genehmigung von Transporten werden teils auch über andere Bundesländer sowie andere Mitgliedstaaten ausgenutzt. Widersprüchliche Gerichtsentscheide, wie zuletzt in Nordrhein-Westfalen bei der Abfertigung von Rindern nach Marokko, führen zu einer Rechtsunsicherheit und dazu, dass Bundesländer beim Tierschutz behindert werden.
Forderungen von VIER PFOTEN:
• Ein bundes- und EU-weites Verbot von Langstreckentransporten und Transporten lebender Tiere in Drittländer
• Bundes- und EU-weit sollte gelten: 0 Stunden für nicht abgesetzte Tiere, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind, maximal 4 Stunden für alle Tiere innerhalb Deutschlands sowie generell für Geflügel und Kaninchen, maximal 8 Stunden für alle anderen Tierarten unabhängig vom Zielland
• Verbot des Transports lebender Tiere auf Schiffen
• Transport von Fleisch & Zuchtsamen statt lebender Tiere
• Reduktion der Tierbestände und Abkehr von der Exportorientierung