Es gehört zu den Höhepunkten von Strandurlauben auf Amrum oder AngelausflĂŒgen auf der Ostsee: Plötzlich pflĂŒgt eine dreieckige Finne durch das dunkle Wasser, manchmal eine zweite. âDelfineâ, rufen die Kinder und vergessen ihre Sandburgen. Aber es sind Schweinswale â denn die gibt es in Nord- und Ostsee. Sie sind keine Delfine, aber deren nĂ€chsten Verwandte. Der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) lebt ĂŒberwiegend in flachen, kĂŒstennahen Meeren und FlussmĂŒndungen und ist als einzige Walart ganzjĂ€hrig in Nord- und Ostsee zu finden. Aber wĂ€hrend BadegĂ€ste vor ein paar Jahrzehnten noch direkt vor der KĂŒste Sylts regelmĂ€Ăig WalmĂŒtter mit ihren KĂ€lbern beobachten konnten und selbst in der Kieler Förde hĂ€ufig Schweinswale gesichtet wurden, ist der bis zu zwei Meter lange MeeressĂ€uger heute extrem selten geworden. Auch deshalb hat die Deutsche Wildtier Stiftung den Schweinswal, auch Kleiner TĂŒmmler genannt, zum Tier des Jahres 2022 gekĂŒrt.
Drei gefĂ€hrdete Meeresbewohner hatte die Stiftung seinen Spendern zur Wahl gestellt. Die entschieden sich mit sehr deutlicher Mehrheit fĂŒr den kleinen, scheuen Wal. âMit der Wahl machen wir auf die Probleme des heimischen MeeressĂ€ugers aufmerksamâ, sagt Professor Dr. Klaus HacklĂ€nder, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtier Stiftung. Auf Deutschlands Roter Liste wird Phocoena phocoena als âstark gefĂ€hrdetâ gefĂŒhrt. âInsbesondere in der Ostsee ist die Art stark bedrohtâ, sagt HacklĂ€nder.
Das zu den Zahnwalen gehörende Tier hat viele Probleme: Zum einen verenden immer wieder Tiere als Beifang in den engmaschigen Stellnetzen der Fischer. Etwa sechs Minuten können Schweinswale unter Wasser bleiben. Dann mĂŒssen sie wieder auftauchen, um ihre groĂen Lungen durch ein Blasloch an der Oberseite des Kopfes zu fĂŒllen. Verfangen sie sich unter Wasser in den Netzen, ersticken sie. Doch die Fischerei und die zunehmende Ăberfischung bringen noch ein weiteres Problem mit sich. Der RĂŒckgang von Schwarmfischen wie Hering, Sprotte und Makrele lĂ€sst den Wal hungern. âSchweinswale mĂŒssen tĂ€glich rund zehn Prozent ihres Körpergewichtes in Form von Fischen, Weichtieren und Krebsen aufnehmen. SĂ€ugende WalmĂŒtter benötigen besonders viel Nahrungâ, erklĂ€rt HacklĂ€nder. Und auch die schleichende Vergiftung durch das Einleiten von Chemikalien wie Pestiziden, die oft ĂŒber die FlĂŒsse in Nord- und Ostsee gelangen, wird dem Tier zum VerhĂ€ngnis.
Ein weiteres groĂes Problem ist der zunehmende LĂ€rm im Meer. Vor allem der permanente Unterwasser-LĂ€rm aus der Schifffahrt macht dem Tier zu schaffen. Hinzu kommen noch weitere LĂ€rmquellen, zum Beispiel bei den Bauarbeiten zu Offshore-Windkraft-Anlagen, bei denen StahlpfĂ€hle in den Meeresboden gerammt werden. Der Krach ist kilometerweit zu hören und eine groĂe Gefahr fĂŒr das empfindliche Gehör der Tiere. Wie alle Zahnwale machen sich Schweinswale zur Orientierung und Partnersuche sowie fĂŒr die Fischjagd mit Ultraschallwellen ein akustisches Bild ihrer Umgebung. Bei groĂem LĂ€rm verlieren sie die Orientierung. Bereits bei einer Entfernung von rund 650 Metern zur LĂ€rmquelle werden Lunge, Gehör und Gehirn geschĂ€digt. Unterwassersprengungen von MilitĂ€rmunition können zu tödlichen Verletzungen fĂŒhren.
Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich fĂŒr den Lebensraumschutz heimischer Wildtiere an den KĂŒsten ein. Mit der Wahl zum Tier des Jahres 2022 soll der Gewöhnliche Schweinswal mit all seinen Problemen im Rampenlicht stehen, um ein Bewusstsein fĂŒr seine BedĂŒrfnisse zu schaffen. âWir wollen Lösungen vorantreiben und Licht am Ende des Tunnels aufzeigenâ, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wildtier Stiftung. So ist es beispielsweise möglich, bei Bauarbeiten im Meer spezielle, walfreundliche Schallschutzvorrichtungen gegen den LĂ€rm zu errichten. Auch die fein gesponnenen Fischereinetze können fĂŒr Wale sicht- und hörbar gemacht werden. Die Forschung ist hier auf einem guten Weg, der von der Deutschen Wildtier Stiftung unterstĂŒtzt wird.
Lesen Sie hier unseren Steckbrief zum Tier des Jahres 2022: https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/schweinswal
Fotos: Deutsche Wildtierstiftung