Hamburg/Alsfeld, 21. September 2021 – Das hessische Amtsgericht Alsfeld hat heute den Angeklagten Erwin S. wegen unerlaubten Waffenbesitzes und des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Seit Jahren im Tierhandel aktiv, hatte Erwin S. 2020 eine Mutterhündin erschossen, um Spuren seiner illegalen Geschäfte mit Welpen zu verwischen. Der Angeklagte zeigte vor Gericht keine Reue. Richter Dr. Bernd Süß sprach in seiner Urteilsverkündung von einer „barbarischen Hinrichtungsmethode“. VIER PFOTEN begrüßt das für die Tierschutzstiftung wegweisende Urteil. Dieser grausame Fall zeigt deutlich, wie skrupellos das lukrative Geschäft mit Welpen ist und unterstreicht einmal mehr die längst überfällige Einführung einer Verifizierungspflicht für Verkäufer auf allen Online-Plattformen sowie die Rückverfolgbarkeit für jedes online angebotene Tier.
Die erschossene Mutterhündin „Nena“ wurde jahrelang von Erwin S. als Gebärmaschine für seine kriminellen Geschäfte missbraucht. Sie hielt zudem als angebliches Muttertier von Welpen zweifelhafter Herkunft her, um illegale Geschäfte zu verschleiern. Erwin S. inserierte zwischen 2011 und 2019 unter verschiedenen Decknamen viele Würfe auf Online-Plattformen. Mehrere Welpen verkaufte er über eBay Kleinanzeigen. Er wurde bereits im Januar 2016 wegen Betrugs verurteilt. Damals kam er mit einem Bußgeld von nur 500 Euro davon und führte seinen lukrativen Welpenhandel ungehindert weiter.
„Trotz der kaum erträglichen Schilderungen vor Gericht zeigte der Täter heute kein Fünkchen Reue. Ich bin daher sehr froh und erleichtert über dieses wegweisende Urteil des Amtsrichters Dr. Süß. Er hat die Schwere des Vergehens erkannt und den Täter entsprechend bestraft. Ein Tier kaltblütig zu erschießen zeigt die Dimensionen dieses brutalen Geschäfts. Innerhalb von drei Jahren inserierte der Angeklagte sieben verschiedene Würfe. Es ist zu bezweifeln, dass all diese Welpen von einer einzigen Hündin stammen. Viele dieser auf den Online-Plattformen verkauften Hunde waren krank, einige starben qualvoll. Dieser Fall macht einmal mehr deutlich, dass die Politik und die Behörden die Hände nicht länger in den Schoß legen und die alleinige Verantwortung auf die Käuferinnen und Käufer abwälzen dürfen. Es kann nicht sein, dass illegalen Händlerinnen und Händlern Tür und Tor geöffnet werden, während die Bevölkerung dieser Kriminalität schutzlos ausgeliefert ist. VIER PFOTEN fordert strenge Gesetze sowie eine angemessene Verfolgung und Bestrafung bei Verstößen“, sagt Birgitt Thiesmann, Expertin für illegalen Welpenhandel bei VIER PFOTEN.
Hintergrundinformationen zum Fall Erwin S.
Die Betroffene Angelika K. kaufte im Frühjahr 2016 den Weimaranerwelpen „Ayko“ von dem vermeintlich seriösen Züchter Erwin S. Der Welpe und einige seiner angeblichen Wurfgeschwister erkrankten bereits nach kurzer Zeit schwer. „Aykos“ behandelnder Tierarzt stellte einen genetischen Defekt fest, der vermutlich von dem Muttertier vererbt wurde. Der junge Hund starb nach 23 qualvollen Monaten. Weitere betroffene Käufer berichteten außerdem von Parasiten und schwerwiegenden Krankheiten wie Krebs oder Hirnhautentzündung. Außerdem fälschte der Angeklagte Impfpässe und Ahnentafeln. Welche Rolle der involvierte Tierarzt dabei spielte, bleibt abzuwarten.
Angelika K. wandte sich schließlich an VIER PFOTEN und erstattete Anzeige gegen Erwin S. Die zuständige Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, im Zuge derer Erwin S. die Mutterhündin beim zuständigen Veterinäramt zu einer Speichelprobe für einen DNA-Test vorstellen sollte. Daraufhin fasste der Angeklagte den Entschluss, das Tier verschwinden zu lassen. Bei dem Versuch, „Nena“ zu töten, schoss er die Hündin in seinem Garten jedoch nur an. Eine zufällig vorbeikommende Frau und ihre Kinder wurden auf den Schuss und das jämmerlich schreiende Tier aufmerksam. Die geschockte Frau informierte die Polizei, die das verscharrte Tier schließlich tot im Garten entdeckte. Bei der Hausdurchsuchung von Erwin S. wurden mehrere Schusswaffen, Munition, Bargeld und Blankoimpfpässe der Rasse Weimaraner gefunden. Der Grund für die grausame Tat lässt sich nur vermuten. Naheliegend ist, dass Erwin S. die wahre Herkunft des Welpen „Ayko“ verschleiern wollte: Vermutlich hätte ein DNA-Test gezeigt, dass die Hündin entweder nicht das Muttertier ist und „Ayko“ aus unbekannter Quelle stammte oder dass der Angeklagte wissentlich kranke Tiere mit Gendefekten vermehrte. Noch immer stehen frühere Verkaufsanzeigen des Angeklagten online, so dass der Handel ungehindert weitergehen kann.
Hintergrundinformationen zum illegalen Welpenhandel
Der Hauptverkaufskanal illegaler Welpenhändler sind Online-Plattformen. Die Anzeigen der Kriminellen sind häufig professionell gestaltet und geben keinen Aufschluss darüber, wer in Wahrheit hinter den Inseraten steckt. So sind diese häufig mit süßen Bildern und ausführlichen, aber erfundenen Geschichten gestaltet. Auch die Dokumente sind in der Regel gefälscht. Die Welpen werden meist in Osteuropa unter grausamen Bedingungen in verdreckten Verschlägen und Kellern geboren, bekommen keine Impfungen, keine medizinische Versorgung und kein geeignetes Futter. Wenn die Tiere dann viel zu jung von ihren Müttern getrennt werden, sind viele krank und manche sogar zu schwach, um den Transport quer durch Europa zu überleben. Kriminelle Welpenhändler nutzen die Anonymität des Internets, um die geschmuggelten Tiere profitabel und mit geringer Gefahr einer möglichen Strafverfolgung ahnungslosen Käufer anzubieten.